Bernd Künzig: Einführung zur Ausstellung "Steinskulptur – Steinlandschaft“
Bild: Klatschen einer Hand 2004 | Bodenskulptur | Gabbro (SSY), Wasser | gespalten, gefräst, geschliffen | 112 x 75 x 34 cm MARUL 2007 | In Situ – Wandarbeit | Digitaldruck auf Affichenpapier | 318 x 325 cm
Picture: Clapping of One Hand 2004 | floor sculpture | Swedish gabbro (SSY), water | split, milled, polished | 112 x 75 x 34 cm | MARUL 2007 | In Situ-work | digital print on wallpaper | 318 x 325 cm
Bernd Künzig: Einführung zur Ausstellung "Steinskulptur – Steinlandschaft“ (2007)
Wer die Steinskulpturen Jochen Kitzbihlers auch nur oberflächlich wahrnimmt, wird rasch begreifen, dass sein skulpturales Denken aus der Tradition der Materialdiskussion stammt. Es ist ein Weiterschreiben klassischer Positionierungen, ohne traditionalistisch zu sein.
Denn was wäre ein traditioneller Bildhauer anders als ein Nachfahre Michelangelos.
Von diesem wird die schöne Geschichte erzählt, er habe im Steinbruch bereits das Material danach gewählt, was in ihm vorhanden sei: eine jener titanischen kolossalen Figuren, mit denen Michelangelo in die Geschichte vom Bild des Individuums eingegangen ist.
Was einmal im Stein erkannt wurde, musste nur noch freigelegt, herausgeschlagen werden.
In diesem Kontext ist Jochen Kitzbihler ein Antitraditionalist, denn um das Herausschlagen geht es ihm keinesfalls. Er ist vielmehr ein Künstler des Stehenlassens, der nur mit äußerst behutsamen Gesten an ein Material herangeht, dem so scheinbar gar nicht mit Zurückhaltung entgegnet werden kann. Der titanisch-genialische Kampf mit dem Material führt zu Kolossalem, was Jochen Kitzbihlers Sache ebenfalls nicht ist. Im Respekt vor dem was gegeben ist, lässt sich das Gegenteil der so signifikant europäischen Unterwerfung und Beherrschung des Materials erkennen. Auguste Rodin träumte die Steinskulptur als Ruine Michelangelos, in dem er die Figur wieder zum Steinbruch zurückführte.
Jochen Kitzbihler hingegen ist nie aus dem Steinbruch herausgekommen, weil er ihn schon selbst als Skulptur denkt und begreift. Das Herauslösen des Steins aus dem Bruch ist für ihn bereits skulpturale Geste im ursprünglichen Sinne, die nichts anderes meint, als ein substraktives Verfahren des Wegnehmens. Je weiter dieser Vorgang des Wegnehmens getrieben wird, desto mehr Leere wird entstehen.
Nicht die Form ist also die Zielsetzung des skulpturalen Verfahrens, sondern die Leere.
Ein derartiges Denken, bedeutet antitraditionalistisch den westlichen Werkbegriff der artifiziellen Schöpfung mit dem des fernen Ostens zu vertauschen, in dem nicht die Fülle Zentrum der Auseinandersetzung ist, sondern die Leere. Form ist dabei nur Mittel diese Leere zu fassen, ihr ein Gefäß zu verleihen. (...)
(Gesamttext siehe Download)
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BZ_Steinlandsch_Steinskulp.pdf
Kuenzig_OG_07.pdf